Sich Zeit nehmen in der Natur zu sein, sich Zeit nehmen in der Natur zu rasten, sich Zeit nehmen mitten in der Natur nichts zu tun, sich Zeit nehmen an einem wunderbaren Ort lange zu verweilen. Genau das hat meine Freundin aus dem Schwarzwald mit mir unternommen, als ich sie im Frühsommer besuchte. Wir wanderten einen Hang hinauf durch den Tannenwald zu einem Wasserfall, der sich von weit oben über eine Felswand nach unten ergoss und eine angenehm kühl-feuchte Atmosphäre schuf.
Genau gegenüber des Wasserfalls haben Menschen eine Liegebank für zwei Personen aufgestellt und wir hatten das Glück diese leer vorzufinden. Hier lagen wir nun, machten Brotzeit und schauten das Wasser an, erforschten mit unseren Blicken die Klüfte und Vorsprünge der Felswand und nahmen den Wandel des Sonnenlichts an den Pflanzen, Bäumen und der Wand wahr. Da tauchte ein Spinnennetz auf, das vor fünf Minuten noch gar nicht zu sehen gewesen war und nach einiger Zeit war es für unsere Blicke wieder unsichtbar. Die Sonne wanderte und beleuchtete immer wieder andere Aspekte des Waldraums.
Wir wurden immer ruhiger, versanken immer mehr in die Wald-Wasseratmosphäre und teilten uns ab und zu unsere Wahrnehmungen mit. Aus der Felswand blickten uns Gesichter an, die den Eindruck erweckten, sie wären sehr misstrauisch. Allmählich verschwanden diese Wesen und wesentlich größere Gesichter tauchten auf: ein umsichtig blickender Wächter, der auf den Wasserfall blickte und dann das Angesicht einer uralten, gütigen Mutter.
Wir konnten uns daran gar nicht satt sehen und waren sehr beglückt. Für uns war es das Antlitz der Erdenmutter, die hier am Wasser den Menschen, den Tieren und den Pflanzen ihre starke, unaufdringliche Kraft gab. Während der Zeit, die wir auf der Liege lagen kamen viele Wanderer an uns vorbei, die zum Wasserfall wollten und von dieser wohltuenden Atmosphäre angezogen wurden. Ja, die Menschen merken, welche Orte Kraft geben! Es war wunderbar so viel Zeit an diesem Kraftort, im Reich der Erdenmutter, verbracht zu haben! Wir waren beglückt und voller Freude, voller Erdenfreude!
